Taman-Negara-Nationalpark, 5.9.2013
Heute Morgen ist es sehr dunstig. Als ich kurz vor 9:30 Uhr vor der Rezeption auf das Dschungel-Trekking warte, komme ich schon leicht ins Schwitzen, während ich nur still sitze. Ich hoffe nur, dass es nicht anfängt zu regnen, denn das würde die Tour zur Tortur machen. Unser Führer erscheint pünktlich. Er ist in der Gegend aufgewachsen, kennt sich also bestens aus. Mit mir gehen eine indischstämmige Kanadierin und ein junges niederländisches Paar auf die Wanderung.
Der erste Teil der Strecke führt uns nahezu ebenerdig über Plankenwege, dann werden Holztreppen daraus, die meist bergauf führen. Am Wegesrand gibt es immer wieder interessante Dinge zu sehen, Schlingpflanzen, Farne, Insekten, nachtaktive Schnecken, die sich einen etwas zu öffentlichen Platz für ihre Tagesruhe ausgesucht haben, Termitenbauten, und vieles mehr. Bei solchen Gelegenheiten ist es gut, einen kundigen Führer dabei zu haben, denn als Stadtbewohner würde man an vielen interessanten Dingen achtlos vorbeilaufen. Er zeigt uns unter anderem Pflanzen, die ihre Blätter je nach Luftfeuchtigkeit von grün nach blau verfärben, Rotang-Lianen (oder Rattan, wie man sie bei uns nennt), die mit spitzen Stacheln bewehrt sind, Pflanzen, deren Blätter beim Verreiben einen stark schäumenden Stoff freisetzen, mit dem man sich einseifen und waschen kann, und vieles mehr.
Nach einer Weile verlassen wir den bequemen "Holzweg", und klettern einen recht steilen Urwaldpfad hinauf. An manchen Stellen sind wenigstens Seile gespannt, die man als Geländer nutzen kann, ansonsten muss man sich an den Gewächsen am Wegesrand festhalten, immer in der Hoffnung, nicht gerade eine Rotang-Liane dafür zu benutzen. Aber dann könnte man die Blätter einer weiteren Pflanze einsetzen, die uns unser Führer zeigt: Zerreibt man sie, erhält man eine gummiartige Substanz, die Blutungen stillen kann und gleichzeitig die Wunde verschließt.
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Oben links: Die Tausendfüßler fallen hier etwas größer aus. Oben mitte: Schlingpflanzen. Oben rechts: Blüten im Regenwald. Unten links: Rotang-Lianen. Unten mitte und rechts: An den Aussichtspunkten.
Nach einem langen, schweißtreibenden Aufstieg werden wir am ersten Aussichtspunkt mit einem schönen Blick über die umliegende Landschaft belohnt. Inzwischen kommt oft die Sonne durch, ich werde heute also richtig schön im eigenen Saft geschmort. Vom ersten Aussichtspunkt führt ein etwa 500 Meter langer Urwaldpfad über viele Baumwurzeln auf und ab zu einem zweiten Aussichtspunkt, der ebenfalls einen guten Überblick über die Landschaft erlaubt. Nach dem Wandern im dichten Urwald, in dem man keine 50 Meter weit sehen kann, ist es immer wieder überraschend, wie unvermittelt man an solche Punkte mit freiem Blick kommt. Dies ist nur möglich, wenn man das obere Ende eines steilen Hügels erreicht.
Von hier aus geht es nicht weiter. Wir treten den Rückweg an. Zunächst nehmen wir dieselbe Route, auf der wir gekommen sind. Dem Abschnitt, den wir auf dem steilen Urwaldpfad hinaufgestiegen sind, folgen wir allerdings nicht wieder hinab, sondern gehen weiter über die Holztreppen. Am Wegesrand gibt es erneut eine Attraktion: Auf einem hohlen Baumstamm sehen wir einzelne Ameisen krabbeln. Unser Führer steckt einem langen Zweig in die Höhle, und als er ihn wieder herauszieht, wimmelt es darauf von zwei bis drei Zentimeter langen, aggressiven Ameisen. Als er den Zweig wegwirft, beißt ihn eine. Die Wunde ist zwar nur oberflächlich, aber fünf Millimeter lang. Mit anderen Worten, man versucht am besten, diesen Zeitgenossen völlig aus dem Weg zu gehen.
Wir beschreiten inzwischen einen anderen Plankenweg als den, auf dem wir gekommen sind. Bald gelangen wir zur Hauptattraktion der Tour: Auf mehreren, sehr schmalen, beidseitig mit Netzen gesicherten Hängebrücken kann man direkt durch die Wipfelregion der Urwaldbäume balancieren, den Urwald aus bis zu 45 Metern Höhe sehen und ab und zu einen Blick auf die Landschaft werfen. Man muss dabei mindestens zehn Meter Abstand zum Vordermann halten, trotzdem schaukelt es ziemlich stark. Ein gewisser Nervenkitzel ist vorhanden, obwohl die stabilen Netze links und rechts dafür sorgen, dass nichts passieren kann. Auf sechs Hängebrücken erkunden wir das "Dachgeschoss" des Regenwaldes. Es gibt noch mehr, diese werden allerdings momentan gewartet und sind deshalb gesperrt.
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Oben links und mitte: Auf den Plankenwegen. Oben rechts: Riesenameisen. Unten links: Eine der Hängebrücken. Unten mitte und rechts: In den Baumwipfeln.
Nach diesem Abenteuer geht es wieder auf Holzwegen und -treppen ziemlich steil abwärts, dann biegen wir auf den Weg zum Resort ein. Dort endet nach etwa drei Stunden die äußerst interessante und schöne Tour. Weil das Wetter sonnig ist, bin ich von Kopf bis Fuß von Schweiß durchtränkt. Die Euroscheine als Notgroschen im Geldgurt trocknen in den nächsten Stunden wieder ganz gut, den Brustbeutel habe ich in weiser Voraussicht vor dem Start der Wanderung in den Rucksack verfrachtet, da ich weiß, dass sich die rote Farbe des Reisepasses hervorragend im Schweiß löst. Die Jeans kann man hinter die Tür stellen, das klatschnasse weiße T-Shirt ist ruiniert, weil der Schweiß die schwarze Farbe aus den Tragegurten des Rucksackes gelöst und darauf verteilt hat. Aus Erfahrung weiß ich, dass man das selbst mit Entfärber nicht mehr herausbekommt. Aber das ist eben der Preis, den man für außergewöhnliche Erlebnisse zahlen muss. Diese Tour hat sich auf alle Fälle gelohnt!
Da am Nachmittag kein Unwetter von Himmel kommt, buche ich für 20:45 Uhr den Jungle Night Walk, in der Hoffnung, dass es heute Abend weiterhin trocken bleiben wird. Danach habe ich Pause bis zum Abendessen. Heute versuche ich es im Resort-Restaurant mit à la carte und esse Hühnchen-Satay und Nasi Lemak. Die Spieße mit der pikanten Erdnusssauce, Zwiebeln, Gurken und Klebreiswürfeln sind richtig lecker, der Nasi Lemak war in Kuala Lumpur deutlich besser. Ich trinke zwei kleine Cola dazu, die weder richtig kalt sind, noch mit besonders viel Kohlensäure versehen sind, und zahle insgesamt 56 Ringgit.
Kurz nachdem ich wieder in der Hütte bin, beginnt es zu regnen. Beste Voraussetzungen für den Night Walk, doch diesmal habe ich großes Glück. Rechtzeitig zum Start der Wanderung hört der Regen auf. Ich bin mit einer großen Gruppe unterwegs, der Führer ist zufällig derselbe wie heute Vormittag. Er macht seine Sache genauso gut wie auf der anderen Tour. Im Schein der Taschenlampen würde ich vermutlich wieder überhaupt nichts aufspüren. Er zeigt uns unter anderem eine schwarze Spinne, größer als meine Hand, mehrere mittelgroße Spinnen, einen Skorpion, einen etwa zwanzig Zentimeter langen Tausendfüßler, zwei tagaktive, schlafende Geckos auf einer Liane und als Höhepunkt eine ungiftige grüne Schlange, die genau über uns in einem Baum hängt. Fotos kann ich leider keine machen, dazu reicht der Schein der Taschenlampen nicht aus, und wenn man permanent mit Blitzlicht fotografiert, verscheucht man die Tiere, die man fotografieren will.
Nicht nur der Anblick der verschiedenen Tiere ist interessant. Besonders beeindruckend finde ich die nächtliche Geräuschkulisse im Urwald. Zum Schwirren der Zikaden und dem Quaken der Frösche mischen sich die Rufe nachtaktiver Vögel und Geckos. Wenn alle Lichter aus sind, hört und riecht man das pure, üppige Leben in diesem Wald.
Zum Ende erreichen wir eine Plattform, von der aus man ab und zu Tapire, Wildschweine und Hirsche beobachten kann. Wir haben in dieser Nacht allerdings kein Glück. Aber auch so ist die Tour faszinierend. Nach etwa 90 Minuten kommen wir wieder im Resort an, verabschieden uns und mein erstes Urwaldabenteuer dieser Reise endet. Morgen früh werde ich hoffentlich den Mietwagen und meinen Koffer wohlbehalten wiedersehen und in die Cameron Highlands aufbrechen.











