Flores, 11.10.2022

Der Jetlag sorgt weiterhin dafür, dass mir das sehr frühe Aufstehen nicht allzu schwer fällt. Als mich der Taxi–Shuttle um 3:45 Uhr abholt, regnet es in Ciudad de Guatemala immer noch. Die Fahrt zum Flughafen dauert nur knapp eine Viertelstunde, sodass ich zwei Stunden vor Abflug am Check–in–Schalter der Tag Airlines stehe. Um die Taxifahrt zu bezahlen, habe ich dieses Mal vom Hotel einen Gutschein bekommen.

Die Tag Airlines hat, wie ich vor der Reise im Internet recherchiert habe, sehr rigorose Gepäckvorschriften. Aufgeben darf man nur kleine Koffer mit einem Gewicht von maximal neun Kilogramm. Ich habe einen Tarif, bei dem man zwei solche Gepäckstücke kostenlos einchecken kann, möchte aber meine Reisetasche mit Laptop und anderen Wertsachen keinesfalls aus der Hand geben. Da sie als Handgepäck viel zu groß und schwer ist, habe ich vorgesorgt: Alles Wertvolle befindet sich in einer faltbaren Umhängetasche, die ich unauffällig unter meiner Jacke verschwinden lasse. Danach lässt sich die Reisetasche stauchen und überschreitet nicht mehr die vorgeschriebenen vier Kilogramm. Ich komme mit dem Trick problemlos durch.

Am Gate ist eine lange Wartezeit angesagt. Das kleine Flugzeug muss anscheinend auf Sicht fliegen und bekommt wegen des Wetters zunächst keine Freigabe. Mit einer Verspätung von 75 Minuten dürfen wir schließlich starten, obwohl immer noch tiefe, dunkle Regenwolken über dem Flughafen hängen. Die Gepäckrestriktionen liegen daran, dass wir mit einer Saab 340 unterwegs sind, die nur auf einer Seite kleine Gepäckfächer hat und für die Koffer der maximal 34 Passagiere vermutlich sehr spartanisch ausgestattet ist.

Kurz nach 8:00 Uhr kommen wir bei etwa 30 Grad und nur leicht bewölktem Himmel auf dem kleinen Flughafen von Flores an. Ich beeile mich, am Kofferband mein Handgepäck wieder wie gewohnt zu packen, da kommt schon mein Koffer. Am Ausgang erwartet mich mein Begleiter für die Rundreise: Roland ist vor 27 Jahren mit seinen Eltern aus Deutschland ausgewandert und lebt nun in Honduras. Ich erfahre von ihm, dass heute der erste schöne Tag seit langem ist. In den letzten Tagen zog ein Hurricane durch, dessen Ausläufer mir gestern und heute Morgen das schlechte Wetter in der Hauptstadt beschert hat. Heute jedoch herrschen optimale Bedingungen für den ersten Besichtigungspunkt der Reise. Dieser ist bereits ein Hochkaräter: Wir fahren etwa 65 Kilometer in die alte Mayastadt Tikal. Kurz bevor wir dort ankommen, nehmen wir einen weiteren Begleiter auf: Den Archäologieführer Octavio, genannt "El Condor". Plötzlich geht mir eine bestimmte Melodie nicht mehr aus dem Kopf…

Die riesige Ausgrabungsstätte liegt inmitten eines Nationalparks. Selbst wenn man sich überhaupt nicht für die Mayas interessieren sollte, kann man zu Tierbeobachtungen herkommen. Es gibt 35 Jaguare sowie eine extrem seltene Falkenart. Auf dem Weg zum Parkplatz sehen wir einen Nasenbären, später eine bunt schillernde Truthahnart. Roland ist ein außerordentlich erfahrener Vogelbeobachter und –kenner. Er kommt, wenn er beruflich in der Gegend ist, öfter im Morgengrauen hierher, um seltene Exemplare zu sehen. Einen der Falken bekommen wir aus großer Entfernung sogar zu Gesicht, mir gelingt allerdings kein Foto.

Brüllaffe Nasenbär Truthahn

Viele Tiere kann man hier beobachten. Links: Ein Brüllaffe. Mitte: Ein Nasenbär. Rechts: Ein Truthahn.

Unsere eigentlichen Ziele heute sind aber die Mayamonumente. Tikal war eine sehr große Stadt, die ihre Blüte vom dritten bis zum neunten Jahrhundert unserer Zeitrechnung hatte. Von der ehemaligen Besiedlung ist heute nichts zu sehen, ihre Spuren findet man, wenn überhaupt, in einigen Museen. Auf dem ausgedehnten Areal befindet sich ein großer Platz, der von der Nord– und Südakropolis sowie zwei 47 und 40 Meter hohen Stufentempeln flankiert wird. In einiger Entfernung sind weitere große Tempelpyramiden zu sehen. Drei derselben kann man über Holztreppen besteigen. Von oben hat man einen ausgezeichneten Blick über die Anlage, die größtenteils von Sekundärregenwald überwuchert ist. In der Blütezeit der Stadt gab es diesen nicht. Um die Tempel sowie die sie umgebende Stadt zu bauen, wurde großflächig der Urwald abgeholzt.

Die Tempel von Tikal Die Tempel von Tikal Die Tempel von Tikal
Die Tempel von Tikal Die Tempel von Tikal Die Tempel von Tikal
Die Tempel von Tikal Die Tempel von Tikal Die Tempel von Tikal

Die Tempel von Tikal. Unten mitte: Die Nordakropolis. Unten rechts: Tempel 1.

Gerade die Tatsache, dass die verbliebenen Bauwerke im dichten Regenwald stehen, macht den Anblick heutzutage so faszinierend, vor allem von den Aussichtsplattformen aus. Die Geräusche der Vögel und der anderen Tiere tragen erst recht dazu bei, dass man diese Stätte so schnell nicht vergisst. Ein weiterer Grund, warum ich Tikal am liebsten von oben sehe, ist das Klima. Ich schmore bei 34 Grad unten im eigenen Saft, während auf den Plattformen ein angenehmer Wind weht. Mein weißes T–Shirt ist nach dem Besuch hier reif für den Müll. Die Farben, die der Schweiß aus dem Brustbeutel, dem Gürtel und der Kameratasche gelöst hat, werden durch noch so häufiges Waschen nicht mehr ganz herausgehen. Aber solche Nebensächlichkeiten beeinträchtigen nicht im Geringsten die Freude, solch eine faszinierende Sehenswürdigkeit besichtigen zu können.

Leider geht auch jede noch so interessante Tour irgendwann zu Ende. Gegen 13:00 Uhr verlassen wir Tikal, setzen "El Condor" im nächsten Ort ab und fahren zurück nach Flores. Dort folgt eine kurze Ortsbesichtigung. Das Städtchen ist nicht spektakulär, bietet aber, neben bunt gestrichenen Häusern einige schöne Ausblicke auf den See Petén Itzá. Nach einem kurzen Aufenthalt fahren wir schließlich zu meinem Hotel, dem Villa Maya Resort in einer Lagune direkt am See. Das Resort ist sehr schön und lädt zum Verweilen ein. Ich kann allerdings nur eine Nacht bleiben. Immerhin kann ich das Restaurant testen.

In Flores am Petén Itzá In Flores am Petén Itzá In Flores am Petén Itzá
Sonnenuntergang im Resort Cerveza Moza

In Flores am Petén Itzá. Unten links: Sonnenuntergang im Resort. Unten rechts: Cerveza Moza.

Selbstverständlich gibt es im Petén Itzá Fische. Einen davon esse ich filetiert mit Reis und Gemüse. Er schmeckt sehr gut und ich verkoste überdies endlich einheimisches Bier: Moza Oscura, ein malziges Dunkelbier genau nach meinem Geschmack. Alles zusammen kostet mit Trinkgeld 300 Quetzal. Gut gestärkt beschließe ich so den Tag.