Antigua, 15.10.2022

Heute lacht die Sonne über dem Atitlán–See. Ich habe Glück, denn bis zum frühen Nachmittag stehen Ausflüge an, für die ich schlechtes Wetter nicht gebrauchen kann. Roland holt mich um 8:00 Uhr am Hotel ab. Da der Check–out bis 13:00 Uhr ohne Aufpreis möglich ist, wird er auf unsere Rückkehr verschoben.

Wir fahren ein kurzes Stück bis zu einem Parkplatz nahe einer Bootsanlegestelle, die wir nach einem kurzen Fußweg erreichen. Von dort aus setzen wir mit einer Fähre nach San Juan La Laguna über. Die kleinen Boote fahren immer erst, wenn mindestens zehn Passagiere zusammengekommen sind. Da am heutigen Samstag viele Ausflügler am See unterwegs sind, erreichen wir diese Anzahl nach etwa zwanzig Minuten. Kaum länger dauert die Fahrt in das kleine Künstlerdorf. An der steil ansteigenden Dorfstraße reihen sich unzählige Souvenir– und Kunsthandwerkgeschäfte. Ganz oben liegt unser Ziel: Ein Laden, in dem einheimische Baumwolltextilien verkauft werden, die von einer Kooperative aus etwa dreißig alleinerziehenden Müttern gewebt und mit Naturstoffen eingefärbt werden.

So frei ist der Blick auf die Vulkane selten So frei ist der Blick auf die Vulkane selten San Juan La Laguna
San Juan La Laguna San Juan La Laguna San Pedro La Laguna

Oben links und mitte: So frei ist der Blick auf die Vulkane selten. Oben rechts, unten links und unten mitte: San Juan La Laguna. Unten rechts: San Pedro La Laguna.

Roland ruft seine Bekannte Ruth, ein Mitglied der Kooperative per Telefon herbei. Ich scheine seit langer Zeit der erste Tourist hier zu sein. Ich bekomme die Schritte des Herstellungsprozesses gezeigt, eine ausführliche Präsentation der Warenkollektion bleibt mir zum Glück erspart. Meine Kauflaune ist nicht besonders groß und die Textilien, die ich sehe, sind zwar sicherlich alle qualitativ hochwertig, aber ich kaufe nun mal nur Dinge, die ich gebrauchen kann und mir gefallen. Hier sehe ich nichts davon. Allerdings werden Ruth und ihre Kooperative offenbar von der Agentur mit einem Obolus bedacht, sodass ich mit nicht allzu schlechtem Gewissen von hier scheiden kann.

Nach dem Besuch hier geht es wieder zur Bootsanlegestelle. Dort besteigen wir eine Fähre nach San Pedro La Laguna. In diesem Ort wird jedoch nichts besichtigt. Wir steigen hier lediglich um. Da wir zu einer anderen Fährstation müssen, lassen wir uns mit einem Tuktuk quer durch den Ort chauffieren. Die abenteuerliche Fahrt durch die engen Straßen dauert einige Zeit, da immer wieder andere Wagen den Weg blockieren.

Am Ufer angekommen, besteigen wir die Fähre nach Santiago Atitlán. Dort schließt sich gleich die nächste Tuktuk–Fahrt an, die uns zu einem "Cofradia" bringt. Das ist eine Art Zeremonialraum, in dem eine hölzerne Statue von "Maximon", einem Heiligen der Maya, steht. Einheimische kommen hierher, um mit Unterstützung eines Schamanen Opfer zu bringen und Beistand für bestimmte Unternehmungen oder Lebenssituationen zu erhalten. Als Tourist darf man, wenn man Geld spendet und sich dezent verhält, zusehen und einige wenige Fotos machen. Die erlaubte Anzahl wird einem vom Zeremonienmeister mitgeteilt. Wir dürfen drei bis vier Stück machen. Ich wandle zwei derselben in ein Video um, ohne lange zu fragen. Es fällt offenbar niemandem auf.

Tuktuk–Fahrt in San Pedro La Laguna Bei Maximon

Links: Tuktuk–Fahrt in San Pedro La Laguna. Rechts: Zeremonie mit Maximón (Videos, je ca. 200 MB).

Nach unserem Besuch bei Maximon schlendern wir durch das Dorf, unternehmen einen Abstecher zum Marktplatz und der großen alten Kirche und gehen schließlich zur Fährstation. Dieses Mal dauert es eine ganze Stunde, bis endlich die zehn notwendigen Passagiere nach Panajachel zusammengekommen sind.

In Santiago Atitlán In Santiago Atitlán In Santiago Atitlán
In Santiago Atitlán In Santiago Atitlán In Santiago Atitlán

In Santiago Atitlán.

Als wir endlich auf der anderen Seeseite ankommen, legt das Boot zu allem Überfluss an einer Fährstation an, die weit von unserem Parkplatz entfernt ist. Dabei habe ich nur noch wenig Zeit, um im Hotel auszuchecken. Roland chartert kurzerhand ein Tuktuk, das mich in flotter Fahrt zum Hotel bringt, während er sich zu Fuß auf den Weg zu unserem Auto macht.

Fünf Minuten vor dem Ende der kostenlosen Check–out–Zeit gebe ich schließlich im Hotel den Zimmerschlüssel ab. Etwa 25 Minuten später kommt Roland mit dem Auto und wir machen uns auf den Weg nach Antigua, unserem heutigen Ziel. Der Himmel hat sich inzwischen bewölkt. Der erste Teil der Strecke führt über enge Passstraßen, teilweise direkt durch die tiefhängenden Wolken. Wir durchqueren bei schlechter Sicht viele kleine Dörfer, in denen oft Hunde todesmutig vor das Auto rennen. Wir erreichen schließlich eine Art Autobahn und es tut gut, mal wieder etwas zügiger voranzukommen. Der letzte Abschnitt der Fahrt führt uns wieder über Landstraßen. Kurz nach 15:30 Uhr erreichen wir schließlich mein Hotel, das inmitten der malerischen Altstadt von Antigua liegt. Hier reihen sich unzählige alte Häuser mit Restaurants, Läden und Bars um kopfsteingepflasterte Straßen.

Roland verabschiedet sich bis morgen früh von mir und ich kann erst einmal Pause machen, bevor ich am frühen Abend in ein etwa 300 Meter entferntes Restaurant gehe. Da es mit meinem Hotel assoziiert ist, erhielt ich dort einen Coupon, der mir auf eine Mahlzeit 10% Nachlass beschert. Ich esse erstmals auf dieser Reise keinen Fisch, sondern Lomito con Tamarindo, also zwei kleine Rindersteaks mit Tamarindensauce, Gemüse und Kartoffelbrei. Dazu trinke ich eine Cerveza Moza. Der Rabatt gleicht das übliche Trinkgeld aus, sodass ich etwa 175 Quetzal für das köstliche Mahl zahle.

Obwohl die ehemalige Hauptstadt Guatemalas dazu einlädt, verzichte ich auf einen abendlichen Bummel, da ich sie morgen sowohl geführt als auch auf eigene Faust ausführlich besichtigen werde. Die ersten Blicke zeigen schon, dass sich dies lohnen wird.